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Fakultät Raumplanung

PendelLabor | Wege zu einer nachhaltigen Stadt-Umland-Mobilität am Beispiel der Region Frankfurt Rhein-Main

Das Projekt PendelLabor  ist der Frage nachgegangen, wie stadtregionale Pendlerverflechtungen unter Einbeziehung der sich stark verändernden gesellschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen verträglicher gestaltet werden können. Einerseits zeichnet sich ein gesellschaftlicher Wandel in der Mobilität ab. Stadtbewohner*innen sind zunehmend multimodal unterwegs, das Verkehrsangebot wird vielfältiger und auch einige Unternehmen leisten mit betrieblichem Mobilitätsmanagement ein Beitrag zu einer nachhaltigeren Mobilität. Andererseits steigt das Pendleraufkommen weiter – mit den bekannten Folgen für Ökologie, Gesundheit und Lebensqualität. In den Einpendlerkommunen sind die verkehrlichen, städtebaulichen und umweltbezogenen Folgen deutlich zu spüren. Aber auch Auspendlerkommunen fürchten aufgrund überlasteter Infrastrukturen und eingeschränkter Lebensqualität als Wohnort unattraktiv zu werden.

Laufzeit: 09/2020 – 12/2023

Ziel: Ziel des Projekts war es, am Beispiel der Region Frankfurt Rhein-Main innovative Lösungen für die verträgliche Ausgestaltung stadtregionaler Pendlerverflechtungen zu finden. Über ein gemeinsames Problemverständnis und das gemeinsame Handeln verschiedener Akteure in der Stadtregion wurde ein Beitrag zu einer sozial-ökologischen Transformation des Mobilitätssystems geleistet. Aufgabe des Fachgebiets SRP war es, Planungspraktiken und raumplanerische Gestaltungsspielräume für eine nachhaltige Stadt-Umland-Mobilität zu identifizieren und diese in Beziehung zu Pendeln als Alltagspraktik zu setzen.

Vorgehen: Das Projekt verfolgte einen inter- und transdisziplinären Forschungsansatz, in dem Forscher*innen aus den Sozialwissenschaften, der Verkehrsforschung und -planung, Mobilitätsmanagement sowie Stadt- und Raumplanung mit Praktiker*innen aus Regionalplanung und Mobilitätsmanagement zusammenarbeiteten. Im Rahmen eines Co-Design-Prozesses wurden Maßnahmenideen zur Veränderung von Pendelpraktiken entwickelt, die darauf abzielen, Pendlerverkehr nachhaltiger zu gestalten. Die vielversprechendsten Maßnahmen wurden in einem Feldexperiment in zwei Korridoren der Untersuchungsregion umgesetzt. Vorbereitet wurde das Co-Design u.a. durch eine sozial-empirische Erhebung der Pendel- und Planungspraktiken, in der das Handeln von Pendler*innen und Planenden innerhalb ihrer strukturellen Rahmenbedingungen untersucht wurde. Begleitet wurde der Gesamtprozess durch einen Stakeholderdialog.

Forschungsprozess

Die Auswertung statistischer Kennzahlen diente der ersten Annäherung an die räumlichen Rahmenbedingungen für das Pendeln in der Region Frankfurt Rhein-Main. Über die Themen Wohnbevölkerung, Arbeitsplätze, Pendelaufkommen, Erreichbarkeit und Mobilitätsangebot, Siedlungsentwicklung und Wohnungsangebot wurde die Ausgangslage für die gesamte Untersuchungsregion und für zwei Untersuchungskorridore charakterisiert. Die statistischen Kennzahlen wurden bestehenden Datenbanken (z.B. INKAR, IÖR) entnommen. Für die Themen Wohnbevölkerung, Arbeitsplätzen, Pendelaufkommen, Erreichbarkeit und Mobilitätsangebot, Siedlungsentwicklung und Wohnungsangebot wurden jeweils 3-5 Indikatoren ausgewählt und einmal als Karte für die gesamte Untersuchungsregion und für die beiden Untersuchungskorridore abgebildet.

Die Dokumentenanalyse war der erste von zwei Schritten zur empirischen Analyse der Planungspraktiken in der Region Frankfurt Rhein-Main. Sie diente als Annäherung an die Ausgangslage in der Untersuchungsregion, an das bestehende Planungshandeln und an die Perspektive der lokalen und regionalen Planungsakteur*innen. 23 Planungsdokumente der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung, z.B. regionale Entwicklungskonzepte, Stadtentwicklungskonzepte, Mobilitätskonzepte und Nahverkehrspläne, wurden angelehnt an die inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018) ausgewertet. Die Dokumentenanalyse arbeitet Potenziale und Herausforderungen, Zielvorstellungen sowie Strategien und Handlungsansätze der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung heraus. Darüber hinaus wurden Steuerungsinstrumente und Methoden sowie Aspekte integrierten Handelns, z.B. die Einbeziehung verschiedener Akteure oder eine räumlich bzw. thematisch integrierte Betrachtungsweise, identifiziert. Es wurden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Fachrichtungen (d.h. Siedlungs- und Verkehrsentwicklung) und Handlungsebenen (d.h. lokal und überörtlich) beleuchtet.

Die Expert*inneninterviews waren der zweite von zwei Schritten zur empirischen Analyse der Planungspraktiken in der Region Frankfurt Rhein-Main. Zwischen November 2021 und Februar 2022 wurden 14 Expert*inneninterviews durchgeführt (davon 11 Einzel-, 2 Paar- und 1 Gruppeninterview). Vier Interviews wurden auf regionaler bzw. Kreisebene, drei in kreisfreien Städten und 7 in kreisangehörigen Städten durchgeführt. Die Fachrichtungen Stadt- und Regionalplanung sowie Verkehrsplanung waren zu gleichen Teilen vertreten. Die Interviews ermöglichten einen Einblick in die planerischen Routinen im Umgang mit der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung. In den Interviews wurden – ähnlich wie bei der Dokumentenanalyse – Potenziale und Herausforderungen, Zielvorstellungen sowie Strategien und Handlungsansätze der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung thematisiert. Darüber hinaus wurde nach Steuerungsinstrumenten und Methoden sowie Aspekten integrierten Handelns, z.B. der Einbeziehung verschiedener Akteure oder einer räumlich bzw. thematisch integrierten Betrachtungsweise, gefragt.

Im September 2022 wurden zwei Planspiele durchgeführt, um Lösungs- und Handlungsmöglichkeiten für die Gestaltung einer nachhaltigen Stadt-Umland-Mobilität spielerisch auszuloten. Ausgangspunkt der Planspiele war die fiktive Mittelstadt Duddbach. Bei der Charakterisierung der fiktiven Ausgangslage haben wir uns an realen Mittelstädten in der Region Frankfurt Rhein-Main orientiert. Aufgabe der Planspiele war es, im Sinne eines Backcasting einen Brückenschlag von einem Zukunftsbild zu der gegenwärtigen Situation in Duddbach zu schaffen. Das Zukunftsbild beschreibt die spezifischen Qualitäten, die das Leben in Duddbach 2050 ausmachen sollen. In den Planspielen sind wir von diesem Zukunftsbild ausgegangen und haben – rückwärts – überlegt, welche Voraussetzungen geschaffen und welche Schritte gegangen werden mussten, um das Zukunftsbild zu erreichen. Die Planspiele wurden so angelegt, dass die Teilnehmer*innen eine andere Rolle und Perspektive einnehmen, als sie in ihrem Arbeitsalltag üblicherweise innehaben. Eine Mobilitätsbeauftragte wurde zur Stadtplanerin, ein Regionalplaner nahm die Rolle des kommunalen Verkehrsplaners ein und die Vertreterin eines Verkehrsunternehmens wurde zur Nachhaltigkeits-Aktivistin. Einerseits sollten die Teilnehmer*innen eine andere Sichtweise auf einen bekannten Gegenstand kennenlernen. Andererseits sollten sie ihre alltäglichen Denk- und Handlungslogiken verlassen und sich unvoreingenommen auf die fiktive Situation einlassen. Mit einmal acht und einmal neun Teilnehmer*innen aus der Region Frankfurt Rhein-Main wurden in den Planspielen insgesamt fünf Zukunftspfade für eine nachhaltige Stadt-Umland-Mobilität entwickelt.

Zwei internationale Fallstudien flankierten die empirischen Analyse der Planungspraktiken in der Region Frankfurt Rhein-Main. Die im Juli und Oktober 2023 besichtigten Stadtentwicklungsprojekte Kopenhagen Nordhavn und Utrecht Leidsche Rijn haben es ermöglicht, Zielvorstellungen und Handlungsansätze, die sich in der Untersuchungsregion als wichtig erwiesen haben, in ihrer Umsetzung zu untersuchen. Utrecht Leidsche Rijn steht hierbei für den Ansatz der ÖPNV-orientierten Siedlungsentwicklung, Kopenhagen Nordhavn für die Innenentwicklung durch Konversion. Beide Projekte wurden in Hinblick auf (1) kompakte Siedlungsstrukturen und wohnortnahe Versorgungsstrukturen, (2) die Fahrradinfrastruktur, (3) das ÖV-Netz und Mobilitätsstationen sowie (4) den ruhenden Verkehr untersucht. Der Fokus lag zunächst auf der gebauten Form und auf der Einbettung der Stadtentwicklungsprojekte in den gesamtstädtischen bzw. stadtregionalen Kontext. Die internationalen Fallstudien haben zusätzliche Impulse für die Ableitung von Handlungsempfehlungen gegeben.

projektbezogene Veröffentlichungen

  • Paula Quentin, Jost Buscher (2023): Zielvorstellungen und Handlungsansätze in der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung. Eine Auswertung von Planungsdokumenten aus der Region Frankfurt Rhein-Main. SRPapers, Nr. 5, Dortmund, doi: 10.17877/DE290R-23167.
  • Paula Quentin, Nora Burlon, Thomas Eltner (2023): Wege zu einer nachhaltigen Stadt-Umland-Mobilität. Durchführung zweier Planspiele im Forschungsprojekt PendelLabor, SRPapers, Nr. 6, Dortmund, doi: 10.17877/DE290R-23247.

© Nora Burlon ​/​ TU Dortmund
In zwei Planspielen haben wir Zukunftspfade für eine nachhaltige Stadt-Umland-Mobilität entwickelt

Konsortium

Partner*innen und Förderung

Projektpartner*innen

  • ISOE – Institut für sozial-ökologische For­schung (Verbundleitung)
  • Hoch­schu­le Rhein-Main, Fachbereich Ar­chi­tek­tur und Bau­in­ge­ni­eur­we­sen
  • ivm GmbH

Praxispartner*innen

  • Stadt Frankfurt
  • Regionalverband FrankfurtRheinMain

Förderung

Das Projekt „PendelLabor – Wege zu einer nachhaltigen Stadt-Umland-Mobilität am Beispiel der Region Frankfurt Rhein-Main“ wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderschwerpunkt sozial-ökologische Forschung im Förderbereich MobilitätsZukunftsLabor 2050 gefördert (Förderkennzeichen 01UV2084B).

Weitere Infos finden Sie auf der Homepage des Forschungsprojekts.

Kontakt

Ansprechpersonen

TU Dortmund
Fakultät Raumplanung
Stadt- und Regionalplanung
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Frank Othengrafen
TU Dortmund
Fakultät Raumplanung
Stadt- und Regionalplanung
Paula Quentin, M.Sc.
TU Dortmund
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Stadt- und Regionalplanung
Jost Buscher